Am Sonntag, den 15.05.2022 beging die neuapostolische Kirchengemeinde in Neuenbürg ein besonderes Freudenfest: die traditionsreiche Enzkreis-Gemeinde am Rande des Schwarzwaldes feierte ihren 100. Geburtstag und durfte sich dazu über den Besuch von Apostel Martin Rheinberger freuen.
An diesem Festgottesdienst, in dem ein Kleinkind das Sakrament der Versiegelung mit dem Heiligen Geist empfing, nahmen auch politische Vertreter teil, darunter Landrat Bastian Rosenau, selbst Priester in einer neuapostolischen Gemeinde.
Der Predigt lag das Bibelwort aus Offenbarung 22,12 zugrunde: „Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, einem jeden zu geben, wie seine Werke sind.“ Umrahmt wurde der Festakt durch einen Frauenchor, den gemischten Gemeindechor sowie Panflöte und Klavier.
Zu Beginn der Predigt würdigte der Apostel die gebrachten Opfer und Entbehrungen von den Gründungsjahren der Gemeinde bis zum jetzigen Jubiläum. 100 Jahre seien im Heilsplan Gottes mit den Menschen eine kurze Zeitspanne, für einen Menschen jedoch nicht zu überblicken. Viel Gutes sei für und durch die Gemeinde getan worden, auch in Zeiten notvoller äußerer Umstände. Apostel Rheinberger richtete anlässlich des Jahrestages ein Grußwort aus Psalm 118,24 an die Anwesenden: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein.“ Damit verband er den Wunsch, die Gläubigen mögen in dankbarem Bekenntnis zur bisherigen Hilfe Gottes vertrauensvoll in die Zukunft blicken und sich so auf die Wiederkunft Christi vorbereiten.
Der Glaube an Jesu Wiederkunft gehöre zum universalen christlichen Verständnis und vereine alle christlichen Denominationen, so der Apostel weiter. Der Lohn der Gläubigen sei die Gemeinschaft mit Gott in seinem ewigen Reich. Dabei käme es nicht auf die Größe oder die Anzahl der guten Werke im Glauben an. Das ewige Leben bei Gott sei ein Geschenk, das man sich nicht verdienen könne. Jedoch sei es Aufgabe und Werk des gläubigen Menschen, die von Gott geschenkten Gaben und Talente in der Treue anzunehmen und damit zu wirken.
Jesu habe in der Fußwaschung seiner Jünger die Gabe des Dienens bewiesen und auch seinen Jüngern zur Aufgabe gemacht. Gemäß diesem Vorbild seien alle Gläubigen dazu aufgerufen, in Gemeinde und Gesellschaft zu dienen. Ein weiterer Verdienst Jesu für die Menschen sei die Sündenvergebung. Sünde führe zur Trennung von Gott, daher sei das Gegenteil von Sünde nicht Moral oder Anstand, sondern vielmehr die Gemeinschaft des Menschen mit seinem Schöpfer. Das Werk des Christen bestünde darin, sich seiner Sündhaftigkeit bewusst zu werden sowie die Bereitschaft zu gegenseitiger Vergebung aufzubringen. Auch habe die Gemeinde Anteil an der Gewissheit der Nähe Gottes. Nicht nur im Gottesdienst, sondern in allen Lebenslagen sei Gott an der Seite der Gläubigen, das habe Jesus selbst versprochen. Das Werk des Einzelnen sei es, auch in schweren Zeiten an Gottes Hand zu bleiben – und ihn auch dann nicht zu vergessen, wenn man ihn nicht so sehr brauche.
Zu weiteren Predigtbeiträgen gerufen wurden die stellvertretenden Bezirksvorsteher der beiden Bezirke Calw und Pforzheim, Bezirksältester Manfred Pfrommer sowie Evangelist Andreas Roller, zudem ehemaliger Gemeindevorsteher der Gemeinde Neuenbürg.
Die Heilige Versiegelung wurde eingeläutet mit dem Lied „Jesu, bleib in meinem Leben Wegbegleiter, bester Freund“, vorgetragen von Klavier und Panflöte. Apostel Rheinberger griff den Liedtext auf und sprach davon, wie gut Eltern ihre Kinder kennen. Genauso kenne Gott auch alle, die sich zu ihm hielten. Er legte den Eltern ans Herz, ihr Kind zu Christus zu führen, ihm im Gebet ein Vorbild zu sein und den Besuch der Gottesdienste als wertvolles Geschenk Gottes zu vermitteln.
Im Anschluss an den Gottesdienst skizzierte der Vorsteher der Gemeinde, Evangelist Georg Müller, die Geschichte der Kirchengemeinde: Bereits 1912 lebten einige neuapostolische Christen in Neuenbürg, 1913 fanden erste Gottesdienste statt. Im Jahr 1920 wurde der erste gemietete Versammlungsraum geweiht, wonach 1926 ein eigenes Anwesen erworben werden konnte, welches bis 1965 als Versammlungsstätte diente. Das aktuell genutzte Kirchenlokal wurde in den Jahren 2005 und 2006 eigenhändig umgebaut und saniert. 2019 wechselte die zuvor dem Kirchenbezirk Calw zugehörige Gemeinde in die Zuständigkeit des Kirchenbezirks Pforzheim. Die Gemeinde zählt 108 Mitglieder, darunter viele Kinder und Jugendliche.
Als geladene Gäste richteten Landrat Bastian Rosenau sowie der 1. stellvertretende Bürgermeister der Stadt Neuenbürg, Gerhard Brunner, einige Grußworte an die Gemeinde. Sie drückten Respekt und Dankbarkeit darüber aus, dass Kirche in Zeiten der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit den Menschen Halt und Antworten böte, sich allen in Offenheit und Toleranz zuwende und zu einem vertrauensvollen Miteinander in der Stadt beitrage. Die Gemeinde erhielt ein Geldgeschenk, hochwertige Schreibsets sowie ein Apfelbäumchen für den Kirchengarten.
Beim anschließenden Gemeindefest fand ein herzlicher und anregender Gedankenaustausch unter den Gottesdienstbesuchern statt, mit dankbarem Rückblick auf die Geschichte der Gemeinde und auf gemeinsam erlebte Zeiten.