- das Mühlacker Bläserensemble stimmt am Vorabend vor Pfingsten die Zuhörer auf das Hochfest mit einem facettenreichen Konzertprogramm ein.
Im Schaukasten der Kirchengemeinde springt mir die Einladung des Mühlacker Bläserensembles ins Auge: „Das Pfingstfest – eine musikalische Einstimmung“. 19:00 Uhr Samstag Abend vor dem Hochfest? Soll ich wirklich die weite Strecke quer durch den Kirchenbezirk nach Mühlacker fahren? Ja ich mach das, bin gespannt.
Freundliche Begrüßung
Ich komme rechtzeitig in Mühlacker an, Parkplatzprobleme gibt es dank benachbarten Firmengelände hier nicht. Noch bevor ich die Straße zur Kirche überquere rufen mir Geschwister ein freudiges „Hallo“ zu. Einstimmende, freundliche Atmosphäre schon beim Betreten der Kirche. Zu Beginn eine Ouverture von Traugott Fünfgeld (1971) im französischen Stil, pompöse Klänge, Blechbläser und Orgel. Die Begrüßung von Bezirksälteste Karsten Müller macht mir eines klar – sprechen mit Gott, beten, Musik fühlen und empfinden ist die beste Vorbereitung.
Sinfonischer Lobgesang
Ich habe einen klasse Platz im Kirchenschiff erwischt. In meinem Blickfeld ist das ganze Bläserensemble. Ich mach mir kurz die Instrumente und Spieler von links nach rechts klar: Trompete und Flügelhorn im Wechsel (Rainer Leipp, Leitung des Ensembles), weitere Trompeten (Eva-Maria Mitschelen, Ayla Petri und Frank Herm), Posaune (Norbert Rentschler) Corno da Caccia (Roland Schneider), Tenorhorn (Anette Petri), Tuba (Achim Mayer) und Bariton (Martin Haußmann). Die Auftragskomposition „Lobgesang“ der Stadt Leipzig an Felix Mendelssohn Bartholdy zur Vierhundertjahrfeier der Erfindung des Buchdrucks für Soli, Chor und großes sinfonisches Orchester habe ich seit Jahren in meinem CD Schrank. Aber wie hört sich das wohl alleinig mit Blech an? Ich sitze da auf meinem Stuhl und bin etwas skeptisch – aber aufgeschlossen. Und? Uhhh, die Blechbläser müssen bei der Bearbeitung von Frank Goebel hoch hinaus. Spätestens bei der letzten der vier Transkriptionen „Nun danket alle Gott“ bemerke ich, dass die Einstimmung nicht nur bei mir, sondern auch in meinem Umfeld in vollem Gange ist, 3-4 Plätze neben mir singt ein Zuhörer leise, hörbar mit …
Gottes Liebe
Auf dem Konzertprogramm entdecke ich auch eine Improvisation des aktuellen Orgel-Shootingstars Gert van Hoef (*1994). Wie kommt so ein junger Mensch wohl dazu Dimitri Bortniansky’s “Ich bete an die Macht der Liebe” neu aufzulegen? Egal, einfach reinhören und die Liebe Gottes in Verbindung mit dem aus jüdischer Tradition übernommenen Wochen- bzw. Hoffest in der Musik wirken lassen. Stimmig. Jetzt sing ich innerlich mit, weil das Orgelspiel von Markus Dreja vom Ohr direkt ins Gemüt spielt. Hört selbst mal rein!
Moderierter Geisteswind
Frank Goebel tritt an das Rednerpult. Attentat auf Friedrich Wilhelm IV, Langeweile bei Joseph Gabriel Rheinberger alias „Pepi“, Choralbearbeitungen Bachs trotz Blindheit, Concerto Grosso, Choralpartiten, Grifftechniken nach Kuhlo u.v.m. Moderation kenne ich aus der Geschäftswelt zu genüge – oder aus der Physik, wo Moderation dazu dient Emotionen oder Kettenreaktionen einzudämmen. Doch dieser Moderator hier befeuert mit Hintergrund- und Fachwissen das musikalische Schaffen der Komponisten. Ich bin überrascht. Das „altbekannte“ Lied aus dem Chorbuch der Neuapostolischen Kirche (Nr. 82) „Geisteswind aus Himmelshöhen“ stammt aus der Oper Iphigenie in Aulis von C.W. Gluck (1714-87) 1. Akt 5. Szene „Welch ein Reiz! Welch eine Anmut!“
Klangwunder - Pfingstwunder
Gerade spielen die Bläser eine Choralpartita von Jo Akepsimas (1793) „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“ – und ich stell fest, dass zwei ehemalige Leiter dieser Bläserformation - jetzt im Unruhestand - beschwingt mit ihren Füßen ganz leicht den Rhythmus „steppen“. Geniale Bearbeitungen für Blechbläser. Mich packt es rhythmisch auch, ich bemerke, dass ein Komponist bei dem einen Choral einen Tango untergejubelt hat. Wow! Mutig! Das Ensemble ist in seinem Element! Es spielt locker auf.
Stimmige Einstimmung
Uhhh, ich schau‘ auf die Uhr, knapp 90 Minuten, das Konzert ist mit dem Gebet „Spiritual Prayer“ von Enrique Crespo (1941) und damit der dritten, vom Publikum durch Applaus geforderten Zugabe, ausgeklungen. Ich bin geflashed! Ich stehe ganz langsam von meinem Platz auf, viele Zuhörer bleiben in der Kirche und reden miteinander, reflektieren. Eher zufällig bekomm ich mit, dass das Ensemble sich auf dem Schloss Kapfenburg in Lauchheim drei Tage übend „eingestimmt“ hat. Liebes Ensemble - mich habt ihr stimmig auf Pfingsten eingestimmt. Vielen Dank!
Jens Zimmermann